RE-USE WOHNEN WALKEWEG NORD BASEL


Wettbewerb 2023


Bauherr: Kanton Basel Stadt, Immobilien Basel Stadt

Vertreten durch: BVD, Hochbauamt Basel-Stadt


Projektadresse:

Am Walkeweg, Basel


Team: Marco Zürn, Markus Stern

Arge: Zeller & Moye (Berlin), Christoph Zeller, Ingrid Moye

 

In Zusammenarbeit mit Dr. Lüchinger Partner Ingénieur + Fassadenplanung, Studio Emma Thomas Landschaftsplanung, Bogenschütz AG HLKS, Nova Energie Basel


 

 

Re-Use

«Form follows availability» könnte für den neuen Trend der Wiederverwendung von Bauteilen als Zielrichtung gelten. Wiederverwendung fordert von Planern und Bauherren ein erhöhtes Mass an Flexibilität im Denken, kreative Lösungen und nicht zuletzt zu jedem Planungszeitpunkt «accept change as inevitable».

 

Wiederverwendete Materialien in der Gebäudekonstruktion haben üblicherweise null oder annähernd null Emissionen, weil diese bereits im ersten Leben der Herstellung des Bauteils oder Materials angefallen sind. Startet man nun den Entwurf mit einem Katalog von zur Wiederverwendung bestimmten Bauteilen muss sich der Entwurfsprozess dem Bauteil anpassen, die Herausforderungen sind neue, aber das Ziel ist es, die herkömmlichen Handlungsweisen und Entwurfsprinzipien im Angesicht der Klimakatastrophe über Bord zu werfen.

 

Haus

Die Baukörper sind vom Ausdruck her, sowie konstruktiv und strukturell wesentlich durch die Wiederverwendung von Bauteilen geprägt. Um eine monotone Aufreihung der bestehenden Rippenträger zu vermeiden, werden die Zeilenbauten aus jeweils unterschiedlich versetzten Modulen gezackt. Durch die Versprünge bieten sich in den vorgesetzten Balkonen Raumnischen (Süd), sowie Eingänge mit Vordach (Nord) zur Adressbildung aus.

 

Die Felder der Rippenplatten des rückzubauenden Lysbüchel Parkhauses bestimmen das Raster von 4.8m und bilden die Decke des gesamten Erdgeschosses aus. Je drei Rippenplatten à 1.5m werden zusammengefasst und im Saum mit einem Betonunterzug verstärkt. Ein Überbeton übernimmt die Querkräfte und bindet die Rippenplatten zusammen. Die zu 70% verwendeten Re-use Unterzüge kommen auf neuen Fertigteilstützen zum liegen. Oberhalb des Unterzugs auf der Wand-Achse liegen die Wohnungstrennwände der Obergeschosse, sowie die Trennwand im EG aus Kalksandstein unterhalb. 

 

Fassade

Die Gitterrost Fassade ist aus 10'000 Re-Use Regalböden von einem Metall-Händler. Die Elemente werden gesammelt und nach Raster und Grösse sortiert. In Reihen von gleichen oder ähnlichen Gitterrosten werden vertikale Fassaden-Bänder gebildet, die sich je um ein paar Zentimeter überlappen, um den Bestandselementen Toleranzen bei der Montage zu bieten. Somit entsteht ein Bild ähnlich einem Verlauf. Die vertikale Schuppung bietet ein Licht- und Schattenspiel und nimmt den verzinkten Gitterrosten die Schwere. 

 

In einigen Jahren wird die Komplette Fassade zuwachsen. Zusätzlich trägt die aussen auf die Holzmodule aufgebrachte farbige Fassadenbahn im NCS Farbton tags wie nachts den Ausdruck. Schiebe- und Klappläden bilden die Verschattungselemente für die Fenster, aus der gleichen Materialität, dem Gitterrost.

 

Zwei Wohnatmosphären

Die Wohnungstypologien drücken sich im mineralischen Loftwohnen im EG sowie im Holzmodul-Wohnen im OG auch in der Materialausprägung aus.

 

Die Obergeschosswohnungen sind in einer warmen hyggeligen Atmosphäre materialisiert. Der eigentlich höchst standardisierte Holz Modulbau bekommt durch einen Lehmstampfboden gewachst eine handwerkliche Note, die die Materialien haptisch erlebbar und angenehm wohnlich macht. Die Wände können weis lasiert oder Holzfarben belassen werden. Die Bäder kommen bereits komplett vorgefertigt mit den Modulen angeliefert und sind mit Plattenbelägen ausgestattet. Der zentrale Kern bietet Reduit, Schrankkästen und hält alle notwendigen Funktionen der Wohnungen bereit, so dass die anderen Bereiche aufgeräumt sind und die Leitungen alle konzentriert gebündelt sind. 

 

Die Erdgeschosswohnungen weisen einen eigenständigen Charakter ähnlich einer Werkstatt, eines Lofts mit Bezug zum Grünen in einer ruhigen Wohnlage auf. Ein zentral gestelltes «Möbel» bildet die notwendigen Funktionen wie waschen, baden, kochen, abstellen ab. Drumherum können mit raumhohen, riesigen Schiebetüren vielfältige Szenarien von Wohnformen und Patchwork Konstellationen von WG’s über Mehrgenerationenwohnen oder creative homeoffice erdacht werden. Aber auch klassische Familien mit zwei Kindern sollen sich die Räume aneignen. Ausbauten in die Höhe (3.3m Zentral im Lichten) durch die Familien / Kreativen / Kinderzimmer mit Hochbetten oder Gumbis sind leicht möglich.

 

Freiraum Gärten

Der Freiraum bildet  eine Fortführung der Parklandschaft mit dem Biotopverbund durch den Gleisbogen.  Die Wohngassen für die Nutzung durch spielende Kinder, Veloanfahrten von Gästen und Bewohnern, sowie Strassenfeste sind in grüne versetzte Inseln gebettet. Im Erdgeschoss südseitig sind leicht erhöhte Veranden, sowie die Balkonkonstruktionen angeordnet. Diese sind durch Inseln heimischer Hecken privat niederschwellig abgetrennt. Der gesamte Garten ist gemeinschaftlich. Weitere Nutzungsinseln für Spielplätze, Urbain Gardening, Picknickplätze und ein Brunnen sind im Quartier verteilt. 

 

Die Gemeinschaftsräume sind zu den Pocket Parks hin angeordnet und weisen grosse baumbestandene Terrassenflächen für die Bewohner auf. Ökologisch wertvolle Wiesenkräuter in Saumgesellschaften bilden weiche Übergänge zwischen mineralischen und begrünten Flächen. Die Fassadenbegrünung weist gen Norden schattenresistente Farne und Efeu auf, im Süden bildet sich ein buntes Farbenmeer aus individuell durch die Bewohner angepflanzten Gewächsen, sowie vom Boden aus wildem Wein, Glyzinien und anderen robusten und unterhaltsarmen Rankpflanzen. Teilweise werden die Fassadenbegrünungen durch bewässerte Pflanzen vom Dach aus Gefässen ergänzt, um auch das letzte Geschoss mit zu begrünen.

 

Die Durchwegung der Häuser ist über grosszügige Durchgänge möglich, die auch gleichzeitig als Velostellplätze oder für Veranstaltungen im Sommer genutzt werden können.